09.05.2022
Balcosy ist ein klappbarer Balkon zum Einhängen in die Fensternische – erfunden von einem Linzer Studenten während der Pandemie. Jetzt ist er dank Unterstützung der oberösterreichischen Standortagentur Business Upper Austria und von tech2b zum Start-up-Gründer geworden.
Die Coronapandemie hat aus dem Studenten Florian Holzmayer einen Unternehmer gemacht. Im Lockdown saß er in seiner Linzer Altbauwohnung ohne Balkon und schraubte eine provisorische Holzkonstruktion ins Fenster, um absturzsicher und gemütlich Sonne tanken zu können. Dank Unterstützung von tech2b und Business Upper Austria ist daraus der marktreife „Balcosy“ geworden, ein klappbarer Balkon für balkonlose Wohnungen zum Einhängen in die Fensternische. In der PULS 4 Start-up-Show „2 Minuten 2 Millionen“ hat der Jungunternehmer zwar keinen Investor gefunden, dafür aber enorme Bekanntheit erlangt. Als Start-up-Gründer beschäftigt sein Unternehmen namens Flowfactory bereits fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Florian Holzmayers Erfolgsgeschichte ist auch eine Geschichte über das offene, unkomplizierte Gründer-Ökosystem in Oberösterreich. Im Interview erzählt er nun die ganze Geschichte.
Wie ist die Idee zu Balcosy entstanden?
Ich bin gebürtiger Salzburger und nach der HTL für Holzbau/Hochbau in Hallein vor zweieinhalb Jahren nach Linz gekommen, um Kunstgeschichte zu studieren. Parallel dazu habe ich in einem Fitnessstudio gejobbt. Dann kam der erste Lockdown und ich bin in meiner Altbauwohnung in der Linzer Innenstadt ohne Balkon gesessen. Dabei habe ich mich immer schon mit dem Thema Freiraum, mehr Luft zum Atmen und wie Räume wirken beschäftigt. Nun wollte ich im Lockdown Sonne tanken. Als Notlösung habe ich eine provisorische Holzkonstruktion ins Fenster geschraubt, um absturzsicher und gemütlicher in der Sonne sitzen zu können.
Wie ist es dann weitergegangen?
Die Idee für den Balcosy ist bei Freunden so gut angekommen, dass ich recherchiert habe, welches Potenzial es gibt. Danach ging es mit einer klassischen Marktanalyse weiter: Wer hat das Problem schon gehabt, was gibt es für Lösungen, Freunde und Bekannte wurden befragt, Statistiken recherchiert. Ein Ergebnis: 44 Prozent aller Haushalte in Wien haben keinen Zugang zu privaten Freiflächen. Ich wollte schon immer etwas Eigenes machen, wo ich selber den Weg vorgeben und selber gestalten kann. Nachdem ich Jürgen Ebert, Gründer des Linzer Start-ups Pastafani von meiner Idee erzählt habe, verwies er mich an den Inkubator Akostart. Dort lernte ich, wie ich mein Geschäftsmodell mit Business Model Canvas in eine Struktur gießen kann. Nachdem Akostart aufgelöst wurde, habe ich mich für das Pre-Scale-up-Programm von tech2b beworben, in das ich aufgenommen wurde.
Hattest du keine Bedenken, während der Pandemie ein Unternehmen zu gründen?
Wäre Corona nicht gewesen, hätte ich mich nicht selbstständig gemacht. Ein Risiko ist immer da. Man muss realistisch sein und damit rechnen, dass es auch sein kann, dass es nichts wird. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.
Wie hat tech2b konkret geholfen?
Sie haben uns bei der Unternehmensgründung unterstützt, die Flowfactory GmbH wurde im Jänner 2021 gegründet. Schon im November 2020 vermittelte mich tech2b an Udo Gennari, den Patentexperten bei Business Upper Austria. Dieser führte eine Technologierecherche für Unternehmen in Gründung durch. Aktuell nutzen wir die Alumni-Beratung von tech2b und profitieren weiterhin von den Events und Trainings.
Hast du noch weitere Beratungsleistungen von Business Upper Austria in Anspruch genommen?
Ja, zunächst habe ich mich an Gabriel Gruber, Projektmanager im Building Innovation Cluster, wegen Branchenkontakten und schnellem Zugang zu Sachverständigen gewandt. Da ging es auch um Fragen wie: Wie kann man den Balcosy zertifizieren? Welche Normen sind relevant? Daraufhin wurde ich mit einem Tischlermeister vernetzt, der im Normeninstitut in Wien tätig ist und mich dann bei theoretischen Fragestellungen unterstützt hat. In weiterer Folge hat mich tech2b zu Roland Nöbauer von Business Upper Austria geschickt. Er hat im Rahmen der Technologieberatungsinitiative TIM die passenden Förderprogramme gesucht und mich mit dem Bautechnischen Institut Linz als Forschungspartner vernetzt.
Was war das Ergebnis dieser Beratung?
Wir haben ein Projekt der Programmlinie easy2research (e2r) im oberösterreichischen Landesförderprogramm easy2innovate und später ein FFG-Kleinprojekt zur Förderung eingereicht – beides wurde bewilligt. Darüber hinaus erfolgte die Vernetzung mit weiteren potenziellen Partnern wie der Kunstuni Linz. Mithilfe der e2r-Förderung konnten wir den Basis-Balcosy gemeinsam mit dem Bautechnischen Institut Linz weiterentwickeln und testen. Diese Kooperation war sehr wichtig, weil Balcosy ein risikobehaftetes Produkt ist. Das Institut hat ein wahnsinniges Konstruktions- und Ingenieur-Know-how. Und sie haben die Geräte, um auf Herz und Nieren zu testen, z. B. mit 200-Tonnen-Belastungstests. Der Balcosy wurde auf Zerstörungslast geprüft, dann weiterentwickelt, neue Prototypen gebaut, wieder zerstört usw. Das Ganze wurde ein paar Mal wiederholt. Als man zufrieden war, wurde ich zu einem Gutachter geschickt, der die Konstruktion abgenommen hat. Damit waren wir dann bereit für die Markteinführung.
Und was habt ihr mit der FFG-Förderung umgesetzt?
Die nutzen wir für die Weiterentwicklung des Balcosys. Wir arbeiten an einer zweiten Variante, die mehr nach Premium-Produkt ausschaut, mehrere neue Features aufweist und mit dem wir auch in den B2B-Markt gehen möchten. Der Fokus des aktuellen Produkts liegt auf dem B2C-Markt. Das zweite Modell soll in ein bis zwei Jahren auf den Markt kommen – je nachdem, wie es mit dem ersten Produkt läuft und wie die Ressourcen im Team verfügbar sind. Aktuell sind wir auch wieder im Gespräch mit Gabriel Gruber vom Building Innovation Cluster wegen eines Folge-Kooperationsprojekts.
Wer ist euer Produktionspartner und wie habt ihr ihn gefunden?
Der Produktionspartner stammt aus Eferding und ist Partner im Building Innovation Cluster. Sowohl Business Upper Austria als auch tech2b haben ihn empfohlen. Das Netzwerk ist einfach so wichtig. Man kann die beste Idee haben, aber wenn man die Leute nicht kennt oder keine Kontakte hat, ist es schwierig. Dann versucht man, am Telefon seine Idee zu erklären, aber mit einem Fuß in der Tür durch Weiterempfehlung funktioniert es viel besser.
Wie sehr hat euch die Start-up-Show „2 Minuten 2 Millionen geholfen?
Durch die Reichweite haben wir enorm profitiert, auch wenn keiner investieren wollte. Sinn war nicht, Investoren zu finden, sondern Aufmerksamkeit zu generieren. Auf die Endkunden wirkt es ein bisschen wie ein Gütesiegel für Start-ups, wenn sie in diese Show eingeladen werden.
Zunächst warst du ganz allein mit der Idee, mittlerweile ist die Flowfactory GmbH aber schon gewachsen?
Ja, aktuell umfasst das Team elf Leute, fünf Angestellte mit mir und der Rest sind Freelancer sowie Gesellschafter. Unser Büro befindet sich in der Tabakfabrik Linz. Teilweise sind wir ein Familienbetrieb: Meine Mutter kümmert sich um die Büroadministration, mein Bruder unterstützt mit seiner Firma bei IT und Website. Angefangen habe ich, einige Leute geringfügig zu beschäftigen. Allerdings wurde mir dann bei Business Upper Austria von Christian Mayer aus der Abteilung Human Capital Management das Förderprogramm „Initiative 1plus1“ empfohlen. Da bekommt man als EPU den ersten Mitarbeiter gefördert. Mit der Förderung konnte ich dann eine Marketingleiterin anstellen. Ansonsten wäre es nicht möglich gewesen, jemand so hochqualifizierten fürs Marketing vollversichert zu beschäftigen. Dank der Unterstützung und Beratung von Christian Mayer lief das alles sehr unkompliziert.
Wie profitiert die Flowfactory davon?
Ich kann als Gründer die Leute motivieren und ihnen Struktur geben, aber ich kann sie fachlich nicht immer führen. Ich habe viel Basiswissen, aber wir haben jetzt auch einige Expert:innen im Boot, die das Ganze vorantreiben.
Habt ihr noch weitere Förderungen beantragt?
Ja, im März haben wir mithilfe von Markus Behawy von Business Upper Austria eine easy2market Förderung beantragt, die ebenfalls zugesagt wurde und bei der Markteinführung hilft. Der Verkauf des Balcosys ist kürzlich gestartet, man kann schon online bestellen. Außerdem haben wir beim Beratungsscheck von Human Capital Management eingereicht und eine Förderung für die Durchführung eines Design-Thinking-Workshops mit Fokus auf neue Arbeitsmodelle erhalten. Zusammengefasst: Durch Unterstützung von tech2b und Business Upper Austria sind wir vom Konzept bis zur Marktreife gelangt; die Beratung hat sich mehrfach ausgezahlt.
Welche besonderen Herausforderungen musstet ihr bewältigen?
Der USP von Balcosy ist, dass er genehmigungsfrei ist, weil es sich um ein Möbel handelt – auch bei Mietwohnungen oder im Denkmalschutz. Das Ganze baurechtlich abzuklären, es zu verschriftlichen und das Gutachten in Händen zu halten war eine der größten Herausforderungen, die mich eineinhalb Jahre beschäftigt hat. Die Finanzierung ist natürlich immer eine Herausforderung bei einem Start-up, aber wenn man die richtigen Leute hat, die unterstützen, funktioniert das auch. Ich schätze die unkomplizierte Unterstützung und das Netzwerk, das einem in Oberösterreich als Gründer zur Verfügung steht. Jeder ist motiviert, etwas zu schaffen und anzupacken; jeder ist freundlich, die Atmosphäre ist offen. Das ist das Tolle an Oberösterreich: Du kommst und hast eine gute Idee und auf einmal kommt jemand und sagt: Da habt‘s ein Büro, da habt‘s Geld, macht‘s was draus!
Was ist deine Vision?
Wenn ich in fünf oder zehn Jahren im Flieger sitze und in Mitteleuropa unterwegs bin, will ich überall Balcosys sehen. Ich sehe ganz viel Potenzial in den Räumlichkeiten, in denen wir wohnen, z. B. im Altbau – hohe Decken – wie kann ich den Freiraum nutzen? Selbst wenn das Produkt nicht so ankommen sollte, wie wir es uns jetzt erhoffen, machen wir etwas anderes, das dem Mission Statement von Flowfactory entspricht: „Wir schaffen Freiraum.“
Hast du Tipps für Gründer?
Es gibt immer Aufs und Abs, das Ganze ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Du kannst die beste Idee haben, aber wenn du nach zwei Monaten aufhörst, wird‘s halt nichts. Es gibt immer wieder Hürden die auftauchen, dann heißt‘s dranbleiben.
Gründer Florian Holzmayer hat mit dem Balcosy eine klappbare Balkonalternative für kleine, balkonlose Stadtwohnungen entwickelt, mit dem Wohnraum intelligent genutzt werden kann. Innen hängend kann er als Tisch oder Ablage genutzt werden und hochgeklappt als kleine Balkonalternative die Fensternischen nutzen, um bequemes und sicheres Sitzen im Fenster zu ermöglichen.
Das Projekt wurde im Rahmen des Programms „easy2innovate“ aus Mitteln der Wirtschafts- und Forschungsstrategie #upperVISION2030 vom Land OÖ gefördert. Das Förderprogramm easy2innovate unterstützt die Wettbewerbsfähigkeit von KMU in Oberösterreich durch Forschung und Innovation. Die absolute Förderhöhe beträgt 25.000 Euro. Am Business Upper Austria Fördertelefon beraten Expertinnen und Experten zu aktuellen Förderprogrammen und individuellen Förderanliegen.
Fördertelefon: +43 (0)732 79810 5420
www.biz-up.at/innovationsfoerderung