Gesucht, gefunden, geblieben – praktische Tipps gegen Frühfluktuation

V. l.: Christian Nörpel (Teufelberger), Selma Grössl (epunkt), Andreas Berger (Rosenbauer International AG), Claudia Luca (Business Upper Austria), Markus Ellmer (Business Upper Austria), Susanne Baumgartner (Honeder Backstube GmbH), Ronald Mühleder (KERN engineering careers), Sabine Past (Smarter Ecommerce GmbH) ©Business Upper Austria
V. l.: Christian Nörpel (Teufelberger), Selma Grössl (epunkt), Andreas Berger (Rosenbauer International AG), Claudia Luca (Business Upper Austria), Markus Ellmer (Business Upper Austria), Susanne Baumgartner (Honeder Backstube GmbH), Ronald Mühleder (KERN engineering careers), Sabine Past (Smarter Ecommerce GmbH) ©Business Upper Austria

04.06.2024

Viele Arbeitgeber:innen kennen das: Eben noch wurde ein neuer Mitarbeiter oder eine neue Mitarbeiterin eingeschult, schon verlassen er oder sie das Unternehmen auch schon wieder und die Suche beginnt von vorn. Das verursacht nicht nur erhebliche Kosten, sondern hinterlässt auch eine Lücke im Betrieb. Beim HR Brunch von Business Upper Austria am 22. Mai in Linz diskutierten die Teilnehmer:innen verschiedene Facetten und Herausforderungen von Frühfluktuation und teilten praxisnahe Ansätze, wie diese im eigenen Betrieb reduziert werden kann.

Die Ursachen für Frühfluktuation sind vielfältig. Neue Mitarbeiter:innen sehen sich häufig Aufgaben oder Herausforderungen ausgesetzt, die sie so nicht erwartet haben. Belastungen wie hoher Druck im Vertrieb oder anstrengende Kund:innen tragen ebenfalls zu einem übereilten Abgang bei.


Suche nach dem perfekten Arbeitsplatz

Am Arbeitsmarkt herrscht aktuell eine hohe Wechselwilligkeit. Viele fühlen sich von neuen Möglichkeiten und Angeboten von außen angelockt und hinterfragen kritisch das bestehende Arbeitsverhältnis. Hinzu kommen teils idealisierte Vorstellungen von einem neuen Job und dieses Streben nach dem perfekten Arbeitsplatz befeuert die Wechselwilligkeit zusätzlich. Auch das Verhalten von Führungskräften spielt bei früher Fluktuation eine wesentliche Rolle – wenn Vorgesetzte und neue Mitarbeiter:innen nicht gut zusammenpassen, kann dies die Entscheidung zur Kündigung beschleunigen.


Kostspielige Folgen

Die negativen Folgen früher Fluktuation sind erheblich: Investitionen in die Suche und oft aufwendige Einarbeitung gehen verloren, wenn ein:e Mitarbeiter:in das Unternehmen verlässt. Zusätzlich entstehen Opportunitätskosten durch entgangene Geschäfte. Frühfluktuation trübt auch die Stimmung im Betrieb, da häufiger Wechsel die Motivation der verbleibenden Teammitglieder mitunter beeinträchtigt. Wie also kann man Frühfluktuation verhindern? Die Teilnehmer:innen haben dazu verschiedene Lösungsansätze diskutiert:


Achtsames Recruiting

HR-Verantwortliche sollten sich ausreichend Zeit für ein möglichst achtsames Recruiting nehmen, in dem das Verhalten der Kandidat:innen ganzheitlich betrachtet wird. Faktoren wie Auftreten, Pünktlichkeit oder die Qualität der Bewerbungsunterlagen fließen idealerweise in die Entscheidung mit ein. „Gezieltes Erwartungsmanagement in dieser Phase hilft, Enttäuschungen in der Anfangszeit vorzubeugen“, sagte Selma Grössl vom Personaldienstleister epunkt. Die Expertin rät, die betreffenden Teams in den Bewerbungsprozess miteinzubeziehen, um die passende Kollegin oder den passenden Kollegen auszuwählen. Wichtig dabei: Die HR-Verantwortlichen sollten unbedingt darauf achten, dass Diversität in den Teams erhalten bleibt.


Preboarding für eine starke Bindung

„Bereits vor dem ersten Arbeitstag gilt es, Vertrauen und Verbundenheit aufzubauen“, betonte Ronald Mühleder von KERN engineering careers. Aus Sicht von Christian Nörpel von Teufelberger sei dabei wichtig, schon vor Arbeitsantritt regelmäßige Touchpoints zu setzen, um eine frühe Bindung zu schaffen – beispielsweise durch ein Welcome Package in Etappen in den Wochen vor dem Start.


Strategisches Onboarding

„Das Onboarding sollte strategisch gut genutzt werden und nicht als bloße Einschulung“, waren sich die Teilnehmenden einig. Vor allem die Kultur und Werte des Unternehmens müssen in dieser Phase klar vermittelt werden. Sabine Past von SMEC – Smarter Ecommerce vertrat die Ansicht, dass Onboarding ein Anliegen der Geschäftsführung sei, und diese bei jedem neuen Teammitglied von Anfang an eingebunden sein sollte. „Führungskräfte und Mitarbeiter:innen in einer Art Buddy-System auf die aktive Rolle im Onboarding vorzubereiten, ist ebenso bedeutend, wie das aktive Einholen von Feedback in den ersten Wochen, um möglichen Gründen für eine frühe Kündigung entgegenwirken zu können“, sagte Past.


Positiv verabschieden

Ein professionelles Offboarding ist genauso wichtig wie ein erfolgreiches Onboarding. „Bei Rosenbauer führen die Recruiter:innen Exit-Gespräche, um die Austrittsgründe zu verstehen und Wissen an die richtige Stelle weiterzugeben“, berichtete Andreas Berger. Wichtig bei einem Austrittsgespräch sei trotz allem eine positive Stimmung, um die Türen für die Mitarbeiter:innen offen zu halten, meinte Karin Mühlgrabner von Bud & Terence, denn bis zu einem Drittel der wechselnden Personen wären bereit, zurückzukehren.


Führungskräfte brauchen Leadership Skills

Fachliche Expertise allein macht noch keine gute Führungskraft aus. Es sind vor allem soziale Kompetenzen, die es braucht, um tragfähige Beziehungen zu neuen Teammitgliedern aufzubauen. Darauf sollte jedes Unternehmen bei der Entwicklung seiner Führungskräfte achten.


HR sorgt für resiliente Teams

Frühfluktuation ist nichts Außergewöhnliches und kommt im Unternehmensalltag immer wieder vor. Also kein Grund zur Panik. Diese Einstellung gehört den verbleibenden Teammitgliedern vermittelt. Das kann dabei helfen, dass im Falle eines frühen Abgangs die Motivation nicht allzu sehr leidet. „Die HR-Abteilung wird punktuell zum Resilienz-Coach, der Teams, die von Fluktuation betroffen sind, wieder motiviert“, beschreibt Susanne Baumgartner von der Honeder Naturbackstube die Rollen und Aufgaben einer modernen Personalabteilung.


Ausdauernde und robuste Führungskräfte entwickeln

Dazu gehört auch, als HR-Verantwortliche das Bewusstsein zu schaffen, dass sich ein längerer Verbleib im Unternehmen lohnt. „Betriebszugehörigkeit ist sexy! Mitarbeiter:innen in hochqualifizierten Jobs sind oft erst nach ein paar Jahren im Unternehmen wirklich wirksam und produktiv“, betonte Sabine Past. Andreas Berger berichtete, dass bei Rosenbauer typische Führungssituationen in Assessment Centern simuliert werden, in denen sich letztlich auch nur jene Kandidat:innen durchsetzen, die gut für eine solche Rolle geeignet sind.


Karrieremöglichkeiten im eigenen Unternehmen fördern

Einen großen Hebel stellen interne Stellenangebote dar. „Mitarbeiter:innen sollte ein Positionswechsel oder Aufstieg im eigenen Unternehmen erleichtert und ermöglicht werden, um Fluktuation zu verhindern. Interne Stellenanzeigen sind eine Chance, sich in einem bekannten Umfeld beruflich weiterzuentwickeln, was die Motivation und Bindung an das Unternehmen stärkt“, waren sich die Teilnehmer:innen einig.