07.06.2024
Wohin führt der Weg der heimischen Automobilindustrie? Wenn es nach dem Motto der Konferenz automotive.2024 geht, die am 6. Juni in Linz stattfand, dann auf den Pfad der Exzellenz. Nur dadurch werde es gelingen, weiterhin global wettbewerbsfähig zu sein, waren sich die rund 200 Teilnehmer:innen einig.
Florian Danmayr, Manager des Automobil-Clusters der oberösterreichischen Standortagentur Business Upper Austria und Veranstalter der Konferenz, wagte einen optimistischen Ausblick: Anhand einer Analyse des Austrian Supply Chain Institutes zeigte er auf, dass die heimischen Zulieferer – aufgeteilt nach den Kategorien „Verbrenner“, „batterieelektrisch“ und „technologieunabhängig“ – für die anstehenden Herausforderungen mehrheitlich gerüstet sind.
Wilfried Sihn von Fraunhofer Research konnte die möglichen Auswirkungen der Transformation ebenfalls anhand einer Studie aufzeigen. Demnach könnten durch das Zurückdrängen des Verbrennungsmotors im Zeitraum bis 2035 österreichweit von ca. 41.000 Produktionsjobs in der Automobilindustrie knapp 10.000 wegfallen und durch alternative Technologien etwa 23.000 neue entstehen.
„Voraussetzung dafür ist, dass der Marktanteil der Unternehmen gleichbleibt“, sagte Sihn.
Das technologische Know-how sei vorhanden, nur dürften die Lohnkosten nicht zum Wettbewerbsnachteil werden. Insgesamt hält Sihn die E-Mobilität für gesetzt – zumindest in Europa und China. Für die andere Hälfte der Welt werde es weiterhin Verbrennertechnologie brauchen.
„Das Fragezeichen ist der Zeitpunkt. Ob es schon 2035 so weit ist, steht und fällt mit der Verfügbarkeit von grünem Strom“, ergänzte Sihn.
Was den batterieelektrischen Antrieb betrifft, sieht Sihn in der Standardisierung der Batteriezellen eine Chance für europäische Hersteller.
Ein großer Teil der automotive.2024 war konkreten Anwendungsbeispielen gewidmet, die unter dem Dach der Initiative „Future Mobility Region“ zusammengefasst sind. Sie zielt darauf ab, dass in Oberösterreich die Kompetenzen für die Entwicklung und Produktion nachhaltiger Fahrzeugkonzepte in einem Umkreis von 50 Kilometern vorhanden sind.
„Das ist auch im internationalen Vergleich eine seltene Dichte an Know-how“, betonte Cluster-Manager Florian Danmayr.
Vorgestellt wurde ein Projekt der Testregion Digitrans mit einem bedarfsorientierten, autonom fahrenden Shuttle. Das Versuchsfahrzeug soll im Herbst im Südpark Pichling bei Linz seine Runden drehen. Gleich zwei Projekte laufen in Oberösterreich zum Thema Batterierecycling bzw. Second Life für Antriebsbatterien.
Die Teilnehmer:innen bekamen durch den gebürtigen Oberösterreicher Michael Wiesinger Einblick in die USA, wo der Hersteller Kodiak bereits 30 autonom fahrende Lkw auf Langstrecken betreibt. Dadurch können Transportkapazitäten besser genutzt werden, Energieverbrauch und Kosten für den Transport sinken.
Weiteres Thema war Cybersicherheit: Da jedes Fahrzeug mittlerweile 100 elektronische Steuereinheiten besitzt, die mit dem Internet verbunden sind, kann es auch angegriffen werden. Die Herausforderung besteht darin, von der Entwicklung bis zu den laufenden Updates Sicherheit zu gewährleisten.
BRP Rotax und Renault berichteten aus dem Blickwinkel der Fahrzeughersteller: Bei BRP Rotax dreht sich alles um Mobilität abseits des Autos – von Jetski bis zum Fahrrad.
„In all diesen Anwendungen ist die Elektrifizierung eine große Chance, die viele Vorteile bringt. Kraftentfaltung, Effizienz, Robustheit, Lärm. Zudem werden ganz neue Fahrzeugtypen möglich“, erklärte Markus Schermann, Geschäftsführer BRP Rotax Vienna.
Aktuell werde in Richtung integrierte Antriebseinheit entwickelt, die mehr Sicherheit und niedrigere Kosten verspricht.
Renault wiederum ist schon viele Jahre lang im Batterierecycling engagiert: Gebrauchte E-Auto-Batterien werden beispielsweise zu Pufferspeichern – oder auch repariert. Eines von 20 Reparaturzentren weltweit befindet sich in Leonding, wo mittlerweile auch Batterien aus dem angrenzenden Ausland bearbeitet werden. In Frankreich steht eine sogenannte „Refactory“, eine Fabrik, die der Kreislaufwirtschaft verschrieben ist. Unter anderem werden dort gebrauchte Verbrenner-Autos in E-Autos umgebaut.
Frank Hansen von BMW stellte gemeinsame Projekte mit Städten wie Rotterdam, Los Angeles oder Peking vor. Diese haben zum Ziel, die Mobilität in Stadtteilen gesamtheitlich zu gestalten. Lina Mosshammer, Gründerin der Mobilitätsplattform Point&, hielt ebenfalls ein Plädoyer auf die Diversität in der Mobilität – wenn auch aus einem anderen Blickwinkel. Ihr ist es wichtig, bei Mobilitätsangeboten möglichst viele Nutzer:innen als Zielgruppen zu berücksichtigen.
Oberösterreichs Wirtschafts-Landesrat Markus Achleitner betonte in seinem Statement die Bedeutung der Automotive-Branche als wichtigster Wirtschaftszweig Oberösterreichs.
„Wir werden die Transformation, zu der als Grundvoraussetzung das Energiesystem gehört, schaffen. Bei der Frage des Wie setzen wir auf Innovation und Technologieoffenheit, Ge- und Verbote sind der falsche Weg“, gab er dem Publikum mit auf den Weg.
Bereits am Vortag der automotive.2024 lud der Automobil-Cluster zum Open Testtrack auf die Digitrans-Teststrecke nach St. Valentin ein. Dort erlebten die Teilnehmer:innen automatisiertes Fahren beim Mitfahren im eVAN und ließen sich – von einem Fahrer aus Fleisch und Blut – im elektrifizierten Pinzgauer des Grazer Unternehmens ECARUS über die Teststrecke chauffieren.
Beim anschließenden Future Mobility Talk diskutierten Christian Sarko (Swietelsky), Andreas Abart (Netz Oberösterreich) und Robert Finzel (Wacker Neuson) über die Baustelle der Zukunft. Im Projekt „maxE“, an dem Swietelsky und Netz Oberösterreich beteiligt sind, wird bereits demonstriert, wie eine Tagesbaustelle komplett elektrisch betrieben werden kann – und zwar ohne das Stromnetz durch Lastspitzen zu überfordern. Der Baumaschinenhersteller Wacker Neuson ortet steigende Nachfrage nach emissionsfreien Fahrzeugen.
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