10.09.2021
Maschinen und Anlagen zu entwickeln, kostet Zeit und Geld. Im Kooperationsprojekt „Digitaler Zwilling“ im Mechatronik-Cluster haben fünf Unternehmen daran gearbeitet, den Entwicklungsprozess digital abzubilden. Die entstandenen Digitalen Zwillinge reduzieren sowohl Kosten als auch Entwicklungsdauer.
Auf dem global hart umkämpften Markt für Sägemaschinen hat die framag Industrieanlagenbau GmbH schon früh das Potenzial eines Digitalen Zwillings erkannt. Der typische Abwicklungsprozess eines Sägeprojektes konnte durch den Digitalen Zwilling wesentlich optimiert werden. „Die einzelnen Fachbereiche arbeiteten bisher sequenziell, stark eigenständig und ohne engen Austausch während der Entwicklungsphase“, sagt Projektleiter Reinhard Pollhamer. „So kam es bei den letzten Prozessschritten, insbesondere bei der Inbetriebnahme und vor Ort beim Kunden, teilweise zu Mehraufwänden, da beispielsweise spezifizierte Werte nicht auf Anhieb erreicht wurden oder der Aufwand für die Programmierung unterschätzt wurde.“
Im Zuge des Projekts wurden mehrere Vorteile des Digitalen Zwillings realisiert. Zum einen ermöglichte die digitale Abbildung eine Parallelisierung in der Entwicklung. Ebenso konnte die Inbetriebnahme vollständig digital erfolgen, noch bevor die Maschine physisch existierte. Die Produktentwicklungszeit verkürzte sich dadurch deutlich. „Zudem stieg die Entwicklungsqualität, da alle beteiligten Fachbereiche auf Basis des Digitalen Zwillings sehr früh ihre Anforderungen einbringen und die Erfüllung sicherstellen konnten“, betont Andreas Kellner, Leiter der Automatisierung bei framag. Auch der Sägeprozess selbst wurde als Digitaler Zwilling abgebildet. Für die Analyse des Sägeprozesses wurde die RISC Software GmbH herangezogen.
Digital Twins sind auch in der Stahlproduktion immer mehr im Kommen. Daher hat sich auch das Linzer Unternehmen Primetals Technologies am Projekt beteiligt. Product Lifecycle Manager Roman Winkler erklärt seine Motivation: „Bei so wichtigen Entwicklungsthemen ist es von Vorteil, sich nicht nur intern auszutauschen, sondern auch den Erfahrungsaustausch mit anderen Unternehmen zu suchen.“ Konkret entwickelte Primetals Technologies einen Digitalen Zwilling für die Arvedi-ESP-Anlage (Endless Strip Production) zur Herstellung von Warmband.
„Da in der digitalen Welt immer mehr Anlagenteile vernetzt werden, ist es nun notwendig und auch möglich, Modelle miteinander zu verbinden“, erklärt Winkler. „Die eigentliche Aufgabe der Entwicklung des Digitalen Zwillings bestand also darin, bestehende Modelle in geeigneter Weise zu verbinden.“ Die größte Herausforderung bei der Implementierung war laut Winkler die Umwandlung von zeitorientierten zu punktorientierten Daten. Basierend auf den Ergebnissen dieses Digitalen Zwillings will Primetals Technologies weitere Digitale Zwillinge anderer Anlagentypen entwickeln. Kunden sollen damit u.a. vor der Inbetriebnahme einer Anlage geschult werden, im Idealfall wird ein Digitaler Zwilling auch ein verkaufsfähiges Produkt.
Die Eisenbeiss GmbH entwickelte einen Digitalen Zwilling für Industriegetriebe für den Einsatz im Condition Monitoring. Peter Hehenberger von der FH Wels begleitete das Projekt wissenschaftlich. Dabei ist auch eine Publikation entstanden, die die systematische Vorgehensweise zur Anwendung des Digitalen Zwillings bei Spezialgetrieben beschreibt. Projektleiter Michael Stroi: „Durch die Kooperation mit den Partnerunternehmen konnten wir u.a. von den Strategien bei KTM Innovation für Datengenerierung, Edgecomputing und Cloudcomputing profitierenn. In der Kooperation mit den Anlagenbauern Primetals und framag konnten wir die Anforderungen unserer Kunden besser verstehen und können diese künftig besser berücksichtigen. Durch die entstandenen Synergien erwarten wir eine noch intensivere Zusammenarbeit und zielgerichtete Produkte.“
Durch den Digitalen Zwilling kann der Getriebehersteller nun gezielt die betriebsbedingte Lagerlebensdauer vorhersagen und verlängern. Das Risiko eines Anlagenstillstands ist damit deutlich reduziert. Davon profitieren auch Primetals Technologies und framag. „Der bisher sehr aufwändige Parametrierungsprozess wurde durch den Digitalen Zwilling automatisiert und maßgeblich beschleunigt. Gleichzeitig wurde die Qualität deutlich gesteigert und damit das Risiko einer Fehlparametrierung minimiert“, ergänzt Projektleiter Stroi. „Durch die bessere Kenntnis der tatsächlichen Anforderungen können wir optimierte Getriebe entwickeln sowie einen Gewichts- und Kostenvorteil erzielen.“
Bei der SRW Automation & Service GmbH ging es um die Losgröße-1-Produktion in der Holzindustrie, konkret um die Verkettung mehrerer Holzbearbeitungsmaschinen. „Wir haben gemeinsam mit unserem Kunden vor der realen Umsetzung einen Beweislauf angetreten, der zeigen musste, dass die geforderten Stück- bzw. Produktionszahlen erreichbar sind. Dazu nutzten wir das virtuelle 3D-Simulationsmodell, das im Zuge des Projekts erstellt wurde, und die virtuelle Inbetriebnahme“, sagt CTO Andreas Stummer. Als größte Herausforderung stellte sich dabei die Kommunikation zwischen den einzelnen Systemen heraus. Sprich: die Verkettung von 3D-Simulationsumgebung, Roboterprogramm, SPS Programm sowie Integration von Live-Produktionsdaten in die Simulation.
All diese Punkte wurden unter dem Gesichtspunkt betrachtet, immer den Original-Quellcode nutzen zu können, um die 3D-Simulation zu speisen. „Eindeutige Vorteile sind die Verkürzung der Inbetriebnahme durch Nutzung der virtuellen Inbetriebnahme und das Detektieren von Fehlerpotenzialen“, betont Stummer. Der Kunde kann im Vorfeld bereits mögliche Optimierungspotenziale in der Produktionsplanung visualisieren. „Für uns bedeutet es eine Verschiebung des Ressourceneinsatzes der einzelnen Fachabteilungen, da sich Tätigkeiten gegenüber der herkömmlichen Umsetzung in der virtuellen Welt abspielen“, ergänzt der CTO. „Unser DigiTwin wird uns definitiv bei der Umsetzung ähnlicher Projekte helfen. Weiters sind einige Erweiterungen geplant in Bezug auf Predictive Maintenance und Predictive Manufacturing.“
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