25.10.2022
Was tun, wenn die Kinder ausgezogen sind und man sich in einem halbleeren Haus wiederfindet? Wenn Orts- und Stadtkerne verwaisen? Mit diesen und anderen hoch aktuellen Fragen beschäftigten sich rund 60 Architekten, Planer, ausführende Bauunternehmen und Wohnbauträger bei der Veranstaltung SOLVE3, initiiert vom Building Innovation Cluster der Standortagentur Business Upper Austria. „Die Herausforderung, zugleich wirtschaftlich, gesellschaftlich und ökologisch nachhaltig zu bauen, braucht neue Lösungen: beim Planen, beim Bauen selbst und auch während der Nutzung“, erklärte Stephan Hölzl, Projektmanager im Building Innovation Cluster, bei der Begrüßung. Stattgefunden hat die Tagung im afo Linz. Dessen Leiter Franz Koppelstätter freute sich über die gelungene Kooperation. „Im Architekturforum Oberösterreich setzten wir uns ebenfalls intensiv mit dem Thema der Leistbarkeit auseinander.“
Ökologisch kluge Ideen brachten Peter Wimmesberger (HUBFOUR ARCHITECTURE) und Andrea Kessler (Materialnomaden) ein. Kessler verwies darauf, dass die Baubranche für 38 % der CO2-Emissionen verantwortlich sei – entsprechend hoch ist das Sparpotenzial, wenn etwa Gebäude am Ende ihrer Lebensdauer nicht abgerissen, sondern rückgebaut werden. Als Beispiel, das mittlerweile auch marktreif ist, zeigt Andrea Kessler sogenanntes ReParkett. In Zusammenarbeit mit der steirischen Firma Weitzer Parkett wird dabei Parkett, das im Zuge von Sanierungen entfernt werden muss, professionell aufbereitet und wieder verkauft. „So kann 200 Jahres altes Parkett noch einmal 150 Jahre genutzt werden“.
Einen ganz anderen Ansatz, aber nicht minder effektiv, verfolgt Architekt Peter Wimmesberger mit der parametrischen Planung. Er beschäftigt sich seit 20 Jahren mit der Automatisierung am Bau. Bei dieser Art der Planung wird mit Hilfe einer Software gewissermaßen eine Gleichung mit vielen Unbekannten aufgestellt, in die Parameter wie Geschoßflächen, Glasflächen, Wohnungsgroßen, … einfließen. Die Lösung der Gleichung ist ein optimales Ergebnis. So lässt sich bereits im Planungsprozess (Wimmesberger: „Jedes Bauteil wird in der herkömmlichen Planung im Schnitt dreimal gezeichnet“), aber auch in der Ausführung sparen. „Der Preis des Bauens hängt mit dem Know-how zusammen. Optimiertes Bauen spart Arbeitszeit und Material“, bringt es Peter Wimmesberger auf den Punkt.
Um parametrische Planung geht es auch in der Oktober-Ausgabe unseres Podcasts Talking Heads, für den Stephan Hölzl mit Peter Wimmerberger gesprochen hat.
Alexandra Puchner (Business Upper Austria) und Architekt Georg Harant-Schilcher stellten dem Publikum zwei Wege vor, die sich positiv auf die Wirtschaftlichkeit von Bauprojekten auswirken. Alexandra Puchner plädierte dafür, Ideen freien Raum zu lassen, damit neues Leben in leerstehende Objekte einziehen kann. „Eine Leitlinie der Raumordnungsstrategie des Landes Oberösterreich ist, nach innen zu wachsen. Das bedeutet, Ortskerne (wieder) zu beleben und andere Leerstände zu nutzen. Dafür gibt es zahlreiche Unterstützungsmöglichkeiten und finanzielle Förderungen“, so Puchner. Business Upper Austria führte bereits zweimal eine Brachflächenerhebung durch, bei der in den heimischen Gemeinden gewerbliche Immobilien abgefragt wurden, die seit mindestens drei Jahren leer stehen. Rund 110 Hektar wurden dabei im Jahr 2021 gemeldet.
Architekt Georg Harant-Schilcher lernte in Dänemark Beteiligungsprozesse im Wohnbau kennen und hat nun als Initiator ein gemeinschaftliches Wohnprojekt in Wels umgesetzt. „Durch gemeinsam genutzte Räume entstehen dabei auch gemeinsame Aktivitäten, eine Alternative zum anonymen Wohnen“, erklärte Harant-Schilcher.
Und schließlich zeigten Lena Schartmüller (Im Grätzl), Petra Hendrich (realitylab) und Christina Kragl (Nonconform) unterschiedliche Ansätze vor, wie unser Zusammenleben anders gedacht werden kann. Das reicht vom eingangs zitierten halbleeren Einfamilienhaus („Man richtet sich mit viel Geld eine Wohnform, die dann vielleicht für 15 Jahre passt“) bis zur Stadtentwicklung. „Leistbarkeit hat nicht nur mit der reinen Miete zu tun, es gehören auch Themenkreise wie Mobilität, Energie, Freizeitangebote dazu. Hier kann man mit gemeinschaftlich genutzten Räumen – vom Co-Working bis zum Kinderspielzimmer – viel für die Leistbarkeit tun. Das geht vom einzelnen Wohngebäude bis zum kompletten Quartier“, betonte Petra Hendrich. „Gemeinschaftliche Nutzung ist ein Ansatz, mit dem aus Arbeitsraum und Wohnraum schließlich Lebensraum wird.“
Um gemeinschaftliche Nutzung geht es auch im Projekt von Lena Schartmüller. Die Idee: bereits Gebautes nutzen, ausnutzen im wahrsten Sinn des Wortes. „Ermöglicht wird das dadurch, dass die vorhandenen Räume geteilt werden. Fast niemand braucht seine Werkstatt 24 Stunden am Tag, 7 Tage in der Woche“, sagte Schartmüller. Mittlerweile teilen 10.000 Nutzer:innen auf der Plattform welocally.at verfügbare Räume. Auch hier geht es unter anderem um die ökonomische Leistbarkeit: „Angebot und Nachfrage passen vor allem für Kleinstunternehmen oder Gründer:innen nicht zusammen. Eine Analyse hat gezeigt, dass sie maximal 550 Euro pro Monat aufwenden können, während die verfügbaren Angebote bei über 4000 Euro liegen“, erklärt Schartmüller.
Christina Kragl zeigte vier verschiedene Ansatzpunkte für die mögliche alternative Nutzung des Konzeptes Einfamilienhaus: Architektur, Nachverdichtung, Rechtliche Rahmenbedingungen (zB Raumordnung) und der Netzwerkgedanke