24.04.2023
Die Suche nach Fachkräften am heimischen Arbeitsmarkt wird immer schwieriger. Den aktuell 31.200 offenen Stellen stehen 27.859 Arbeitsuchende gegenüber. Oö. Betriebe müssen daher ihr Recruiting erweitern und über die Landesgrenzen hinaus nach qualifiziertem Personal suchen. Dabei werden sie vom Land OÖ und Business Upper Austria unterstützt. Das Praxisforum „Internationale Mitarbeiter:innen einstellen“ präsentierte konkrete Projekte und Initiativen.
„Wir müssen uns neben der Nutzung aller Potenziale im Inland auch um die besten Köpfe aus dem Ausland bemühen. Dazu haben wir auch im oberösterreichischen. ‚Pakt für Arbeit & Qualifizierung 2023‘ einen besonderen Schwerpunkt auf qualifizierten Zuzug gelegt“, betonte Wirtschafts-Landesrat Markus Achleitner. „Unter anderem wurde das Talent Attraction Programme für die Zuwanderung Hochqualifizierter erweitert: Ziel ist es, die Arbeitsregion Oberösterreich noch umfassender zu vermarkten, um Fachkräfte aus dem In- und Ausland gezielt für Oberösterreich zu gewinnen“, sagte Landesrat Achleitner. „Zugleich braucht es aber dann auch Unterstützung und Begleitung vor Ort sowie eine entsprechende Willkommenskultur im Land“, verwies Landesrat Achleitner auch auf die Maßnahmen im Rahmen der Initiative „Welcome2Upper Austria“.
Das Praxisforum „Internationale Mitarbeiter:innen einstellen“ im Ursulinenhof in Linz bot den 90 Teilnehmer:innen Einblicke in die aktuelle Arbeitsmarktsituation in Oberösterreich und präsentierte konkrete Lösungen aus der Praxis.
AMS-Chef Johannes Kopf zeigte Ursachen für die aktuellen Herausforderungen am Arbeitsmarkt und wo es noch ungenutzte Potenziale gibt: „Wir sind alle verwöhnt, weil es immer mehr als genug Arbeitskräfte am Arbeitsmarkt gab, aber jetzt spüren wir die Demografie. In den vergangenen zehn Jahren haben wir mehr als eine halbe Million Menschen nur durch Zuwanderung in den österreichischen Arbeitsmarkt bekommen.“
Kopf ortete vier große Trends: Die Arbeit wird flexibler – u. a. durch Homeoffice und Teilzeit, digitaler, internationaler und ökologischer. „Die große Herausforderung der Internationalisierung ist das Arbeitsrecht. Und der Kampf gegen den Klimawandel könnte daran scheitern, dass wir nicht genug Leute haben“, sagte Kopf. Der AMS-Chef appellierte daher an die Unternehmen, das ungenutzte Potenzial internationaler Arbeitskräfte zu heben: „Wenn Betriebe das Interesse an internationalen Mitarbeiter:innen verlieren, weil es mühsam wird, dann ist die Not noch nicht groß genug. Das Unternehmen das sagt, es gibt keine Leute mehr, steckt den Kopf in den Sand. Werden Sie breiter in Ihrem Recruiting, Sie waschen das Gold zu ungenau!“
Unternehmensberater Hannes Missethon stellte seine Initiative „Talentsproject“ vor, mit der er seit 2020 mehr als 100 Lehrlinge und MINT-Fachkräfte von Spanien nach Österreich vermittelte. Der Schlüssel für die langfristige Integration liege unter anderem in der frühzeitigen Vermittlung von Deutschkenntnissen. Noch bevor sie in ihre neue Heimat kommen, werden die Talente in Spanien auf das Sprachlevel B1 qualifiziert. „Das Schwierigste war, die Deutschausbildung in Spanien zu organisieren“, berichtete Missethon. „Die Spanier:innen lernen viereinhalb Monate lang mehr als vier Stunden pro Tag Deutsch. Das ist auch ein Charaktertest. Diejenigen, die das durchhalten, funktionieren bei uns auch gut.“
Zehn Prozent der Spanierinnen und Spanier, die heuer schon über das „Talentsproject“ nach Österreich gekommen sind, wurden von ihren Landsleuten rekrutiert. „Dieses Projekt ist ein Beispiel dafür, wie erfolgreiche Initiativen eine Eigendynamik entwickeln. Verwandte und Bekannte sehen nämlich, wie gut es den Talenten bei uns geht und gefällt und kommen dann auch nach Oberösterreich“, sagte Missethon.
Zu Missethons Kunden zählt auch die TRUMPF Maschinen Austria GmbH & Co. KG in Pasching. Das Maschinenbauunternehmen hat das „Talentsproject“ genutzt, um als Biegekompetenzzentrum innerhalb der TRUMPF Gruppe nationale Märkte mit dem benötigten Know-how zu unterstützen. Der Unternehmensberater appellierte: „Fangen Sie an, es wird sicher nicht besser. Am Anfang ist es vielleicht noch ein Experiment, aber wir müssen beginnen, denn die Demografie wird nicht besser.“
Das Projekt „Recruiting International High Potentials“ der Standortagentur Business Upper Austria ist eine weitere Initiative, um qualifizierte Fachkräfte für den Standort Oberösterreich zu gewinnen. Aktuell sind 199 Profile internationaler Talente in der Cloud verfügbar, 95 aus Kroatien, 68 aus Polen und 36 aus Spanien. Bei allen wurden die fachliche Eignung, das Kommittent zum Deutschlernen und die Umzugsbereitschaft nach Oberösterreich abgeklärt.
Das Programm wird ab Ende Mai auf Italien ausgeweitet. „Während des Probe- bzw. Praktikumsmonats übernimmt Business Upper Austria die Wohnkosten für Bewerber. Zusätzlich wird die internationale Fachkraft in einem begleitenden Deutschkurs, der bis zu einem Jahr dauern darf, auf das Sprachlevel B1 qualifiziert“, erklärte Projektmanager Tanvir Kamal. Durch eine Förderung des Wirtschaftsressorts des Landes OÖ sind die Kosten für teilnehmende Unternehmen auf 1.500 Euro beschränkt.
Interessierte Unternehmen können Kandidatenprofile online sichten und die Talente beim virtuellen Matching Day kennenlernen. Bisher gab es vier Matches, und drei davon bestehen noch: Eine MINT-Fachkraft aus Spanien arbeitet für Steyr Motors, bei der MIC Datenverarbeitung GmbH und beim Werkzeugbauer Faschang arbeitet je eine Software-Fachkraft aus Spanien. Margit Klima-Bencic, HR-Leiterin bei MIC hob den Mehrwert für ihr Unternehmen hervor: „Wir wachsen durchschnittlich um 15 Prozent pro Jahr und können unseren IT-Fachkräftebedarf am inländischen Jobmarkt nicht decken, daher setzen wir zusätzlich auf internationale IT-Fachkräfte. Das passt auch sehr gut zur internationalen Ausrichtung unseres Business.“
Die Mitarbeiter:innen bei MIC haben mehr als 30 verschiedene Nationalitäten, was Klima-Bencic als „riesengroße Bereicherung“ empfindet. MIC nutzt auch das umfassende Service von Welcome2Upper Austria bei der Standortagentur. „Wir versuchen, die Leute gut ankommen zu lassen. Und wir haben gelernt, internationale Bewerber:innen sehr früh über alles zu informieren. Bei beidem hilft uns Welcome2Upper Austria. Seitdem bleiben relativ wenig Fragen übrig“, betonte die HR-Leiterin.
Eine weitere Zielgruppe im internationalen Recruiting sind Studierende in MINT-Fächern, die in Oberösterreich kurz vor dem Abschluss stehen. Mit dem Projekt „GradeUPP“ bringt Business Upper Austria sie mit oberösterreichischen Unternehmen zusammen. „Mit einem Deutschkurs und Cultural-Fit-Schulungen bereiten wir die Studierenden bestens darauf vor, im Betrieb durchzustarten“, erklärt Projektmanagerin Michaela Schatzl. Mehr als 30 Profile von Studierenden aus 15 Nationen gibt es bereits.
„Wir haben durch das GradeUPP- Programm viele unglaublich interessante Profile von internationalen Studierenden, die es nun gilt, mit den Bedarfen der Unternehmen in unserem Bundesland zu matchen. Auch Firmen profitieren von Mitarbeiter:innen aus anderen Kulturen: Die Arbeit mit Menschen aus anderen Kulturen sorgt für den Abbau von Vorurteilen und ein besseres Betriebsklima. Außerdem tendieren Unternehmen, die mit Diversität unter Arbeitnehmer:innen werben können, zu einem besseren Ruf und sind als Arbeitgeber beliebter“; schilderte Sigrid Leutgeb-Webersdorfer von HILL International.
Michaela Schatzl, Projektmanagerin bei Business Upper Austria, hob die Vorteile hervor: „Die Studierenden kennen Oberösterreich schon, sie sind schon da und teilweise schon gut integriert. Wir brauchen nur mehr zuzugreifen.“ Leutgeb-Webersdorfer ergänzte: „Die Studierenden verstehen teilweise schon sehr viel Deutsch und die Kultur, sind extrem motiviert und wollen dableiben. Es heißt immer, internationale Studierende sind die Fachkräfte von morgen, aber wieso nicht schon die von heute?“
Ergänzend zu den bestehenden Aktivitäten, die auf hochqualifizierte Schlüsseltalente abzielen, will Business Upper Austria gemeinsam mit dem Arbeitsmarktservice OÖ, der Wirtschaftskammer OÖ und der Integrationsstelle des Landes OÖ gewerbliche Arbeitskräfte in Mangelberufen aus dem In- und Ausland für Jobs in Oberösterreich begeistern. „Das Programm umfasst die Anwerbung, Integration und Bindung“, erklärte Christian Mayer, Projektverantwortlicher bei der Standortagentur. Die Suche nach Arbeitskräften anhand der übermittelten Stellenprofile der Unternehmen erfolgt derzeit über EURES, ein europäisches Netzwerk für Arbeitsvermittlungsdienste. Ab Sommer 2023 profitieren heimische Betriebe zusätzlich von der Vorauswahl geeigneter Fachkräfte durch einen Personaldienstleister. Kommt ein Match zustande, wird das Unternehmen bei Onboarding und Integration durch die im Programm beteiligten Kooperationspartner unterstützt.
Werner Pamminger, Business Upper Austria Geschäftsführer, fasste zusammen: „Wir begleiten rund 3.000 Unternehmen bei ihren Innovations- und Investitionsvorhaben am Standort. Das Thema der fehlenden Fach- und Arbeitskräfte ist dabei Hemmnis Nummer eins. Das Wachstum am Standort hängt an dieser einen kritischen Ressource. Daher ist die Abteilung Human Capital Management mittlerweile die größte mit den meisten Ressourcen bei uns im Haus. Den Personalbedarf zu decken, wird künftig aufwendiger werden, aber die nötigen Systeme, Strukturen und Unterstützungen bieten wir an.“
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