20.05.2022
Was haben Wasserflöhe dem Menschen voraus? Wie kann das heimische Gewerbe dem Preisdruck standhalten ohne die Konsument:innen zu verärgern und wie sieht die Ernährung der Zukunft aus? Die Upper Food 2022 – eine der führenden Fachveranstaltungen der Lebensmittelbranche – stand am 17. Mai in Linz im Spannungsfeld zwischen der kriegsbedingten Energiekrise und den positiven Rahmenbedingungen, die Oberösterreich im nationalen und internationalen Vergleich privilegiert. Hochkarätige Expert:innen, spannende Diskussionen und ein unterhaltsames Finale begeisterten die rund 100 Gäste.
„Die Landwirtschaft und die Lebensmittelbranche bilden das Rückgrat für das Genussland Oberösterreich. Unser Bundesland steht gut da – wir sind Vorreiter bei erneuerbarer Energie, Klimaschutz und Kreislaufwirtschaft. Unser wichtigstes Ziel ist, dass die Unternehmen auch in Zukunft ausreichend Fachkräfte zur Verfügung haben“, so Wirtschafts-Landesrat Markus Achleitner.
„Die oberösterreichische Lebensmittelsparte hat sich in den vergangenen Jahrzehnten rasant entwickelt. Mutige, tatkräftige und visionäre Unternehmer:innen, Institutionen und Zusammenschlüsse formten eine Branche, die heute vielen anderen Regionen als Vorbild dient“, betont Wirtschafts-Landesrat Achleitner.
Dies gelang vor allem durch erfolgreiche Kooperationen, rege Vernetzung und zielstrebiges Handeln. Und so soll auch die Zukunft der oberösterreichischen Lebensmittelbranche aussehen. Dreh- und Angelpunkt ist der Lebensmittel-Cluster der oö. Standortagentur Business Upper Austria, der 2021 sein 20-Jahr-Jubliäum feierte. Der Geburtstag wurde nach der coronabedingten Absage der Veranstaltung im Vorjahr „nachgefeiert“.
Clustermanagerin Heidrun Hochreiter bekam bei der Upper Food 2022 von Konditormeister Leo Jindrak eine überdimensionale Torte überreicht.
„Die Zusammenarbeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette von der Landwirtschaft über die die Be- und Verarbeitung bis zum Handel hat in der Vergangenheit schon gut funktioniert hat, wird aber auch in der Zukunft immens wichtig sein, um einerseits die oö. Lebensmittelbetriebe, als auch nächste Generationen zu stärken. In 20+1 Jahre hat der LC hier unterstützend gewirkt und zahlreiche Kooperationen begleitet“, sagt die Clustermanagerin.
Sauberes Trinkwasser, hohe Standards und Versorgungssicherheit bei Agrarprodukten und in der Viehzucht können in Österreich die gegenwärtige Krise abfedern. Trotzdem ist in vielen Bereichen ein Umdenken notwendig, um die Zukunftsziele im Rahmen des Programmes #uppervision2030 zu erfüllen und nicht in eine veritable Krise zu schlittern. „Oberösterreich steht gut da, ist aber trotzdem keine Insel der Seligen“, warnte Hannes Royer, der seit seinem 21. Lebensjahr einen Bergbauernhof bewirtschaftet und als Obmann des Vereins „Land schafft Leben“ die Probleme der Lebensmittelwirtschaft aus erster Hand kennt. Er sieht einen Handlungsbedarf bei allen Beteiligten. Konsument:innen müssten sich bewusst sein, dass die höheren Preise für regionale Produkte letztendlich den Standort Österreich sichern. „Die meisten Menschen wollen wissen, woher ihre Nahrung kommt, wer sie hergestellt hat und wie sie produziert wurde.“
Die hochkarätige Diskussionsrunde von Vertreter:innen der Supermärkte und Kaufleute war sich in einem Punkt einig: Die Corona-Krise hat eindrucksvoll vor Augen geführt, welch lange Strecken Lebensmittel teilweise zurücklegen müssen, bevor sie auf unseren Tellern landen. Manches, das aus fernen Ländern importiert wurde, war plötzlich knapp oder gar nicht mehr verfügbar. Die Frage der Versorgungssicherheit war plötzlich wichtig. Aus Sicht der Kaufleute ist – auch bedingt durch die -Inflation wieder der Kostenfaktor in den Mittelpunkt gerückt. Der Umsatzrückgang bei regionalen und hochpreisigen Produkten beträgt rund 40 Prozent, dafür greifen die Konsument:innen wieder verstärkt nach Diskontmarken in großen Supermarktketten. Die Hoffnungen beruhen darauf, dass sich die geopolitische Lage wieder entspannt und damit auch der Preisdruck gemildert wird.
Experte Joachim Kircher von der Denkwerkstatt thematisierte die Ernährungsgewohnheiten und attestierte ein denkbar schlechtes Zeugnis. Rund 41 Prozent der Frauen und Männer ob der Enns sind übergewichtig, 15 Prozent sogar fettleibig. Weltweit leiden zwei Milliarden Menschen an einem Mangel an Nährstoffen. In Österreich betrifft das rund die Hälfte der Bevölkerung. „Diese Zahlen mögen für Staunen sorgen – sie stimmen aber“, betont der Experte. Schlussfolgerung: Es muss ausgewogene Kost auf den Tisch kommen.
Die aus Schüler:innen der Bildungspartner des Lebensmittel-Clusters bestehende Diskussionsrunde thematisierte vor allem die Wegwerfgesellschaft: Immerhin landen im Land rund 30 Prozent der Lebensmittel im Müll. Die Jugendlichen forderten auch ein Umdenken bei der Agrarpolitik. Es können – forciert durch die EU – nicht sein, dass große Konzerne stärker als Landwirte sowie Klein- und Mittelbetriebe aus dem verarbeitenden Gewerbe gefördert werden.
Soja wird oft in einem Atemzug mit Asien genannt – Österreich kann aber rund die Hälfte des Bedarfs aus eigenem Anbau decken. Grundsätzlich kann sich das Land mit fast allen Produkten autark versorgen – bei vielen Pflanzenarten gibt es Überproduktionen, die im Viehfutter landen. Einfache Rechnung von Henry Jäger von der Universität für Bodenkultur: Weniger Fleischkonsum könnte rund 30 Prozent der Anbauflächen im Land für Gemüse oder Getreidesorten frei machen.
Und was hat ein Wasserfloh mit einem Menschen zu tun? – Rein gar nichts, wie der Unternehmer und Erfolgsautor Markus Reimer in seinem amüsanten Schlussvortrag dozierte: Das Kleinstlebewesen kann sich perfekt an die klimatischen Rahmenbedingungen anpassen. Der Mensch müsse das erst lernen. Die Herausforderungen der Zukunft seien nur mit Mut, Offenheit und Dialog zu lösen. „Nicht jede Lösung für ein Problem ist eine Innovation. Aber jede Innovation ist die Lösung für ein Problem“, fasste Markus Reimer zusammen.
Der Nachmittag im Offenen Kulturhaus Linz zeigte: Die hervorragende Kombination aus Ausbildung, Forschung und Wirtschaft zeichnet die oö. Lebensmittelwirtschaft aus. Die gelebte Praxis der Kombination dieser drei wichtigen Säulen lässt uns gemeinsam die Zukunft positiv prägen.
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